Kein Feuer drin

Bayern und Schalke liefern sich einen wenig erbaulichen Pokalkick, der erst im Elfmeterschießen spannend wird und 5:4 für München endet

aus München CLAUDIO CATUOGNO

Ach, guck mal, der Johannes B. Kerner. Gut sieht er wieder aus, der Fernsehstar, im hellen Wildledermantel. Old-fashioned, aber cool. Die Blicke folgen ihm unwillkürlich durch das Münchner Olympiastadion, erst die Pressetribüne hinunter, dann vorbei an den Ehrengästen (graue Sitzpolster, eigene Aschenbecher, rote Wolldecken mit FC-Bayern-Gravur). Er wirkt geschminkt. Ob er eitel ist? Nein Blödsinn – ist natürlich sein Fernseh-Make-up. Jetzt schreitet er, langsam, fast 50 Meter das Spielfeld entlang. Und während man so nachdenkt über Schminke und Leder und Ehrengäste fällt der Blick wie zufällig zurück auf den Rasen, wo der FC Bayern München gegen den FC Schalke 04 spielt. Da kann man aber getrost gleich wieder weggucken.

Natürlich war es letztlich spektakulär, wie der FC Bayern das DFB-Pokal-Achtelfinale 5:4 nach Elfmeterschießen gewann. Wie Roque Santa Cruz anlief, lange nach 22.30 Uhr, und mit seinem Treffer die Schalker Träume vom dritten Titel in Folge in die kalte Wirklichkeit zurückholte. Trotzdem war es vor allem ein enttäuschender Fußballabend: Als liefe im Kino zwei Stunden Werbung – und dann dauert der Hauptfilm keine zehn Minuten.

Nach 36 Minuten hatten sich die Bayern ihren ersten Eckball herausgespielt. Nach 43 Minuten schossen sie in Person des eingewechselten Owen Hargreaves das erste Mal, wenn auch mäßig gefährlich, auf das Tor von Frank Rost. „Wir haben in der Defensive taktisch gut agiert“, behauptete später Schalke-Trainer Frank Neubarth – und vergaß dabei zweierlei zu erwähnen. Erstens dass Ballack und Co. ihre Angriffe oft auch aus eigenem Unvermögen verstolperten. Und zweitens dass Schalke offensiv so gut wie überhaupt nicht agierte. Man schrieb die 112. Minute, als Emile Mpenza auf der rechten Seite entwischte, den Ball aber nicht nur über Oliver Kahn, sondern auch über die Torlatte schoss. Es war die einzige Schalker Chance an diesem Abend.

Man sei eben „taktisch sehr diszipliniert aufgetreten“, kommentierte Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld das „nicht sehr attraktive Spiel“. Doch während die Schalker Spieler zurzeit „von einem Spiel zum nächsten hetzen“ (Rost), wirkten auch die Münchner seltsam ausgebrannt, trotz der unfreiwilligen Spielpausen nach dem Ausscheiden aus der Champions League. Dabei haben sie doch – zumindest in den offiziellen Verlautbarungen – wieder Gefallen am DFB-Pokal gefunden. Und schmerzhafte Rangeleien im Training wurden sogar schon als Zeichen chronischer Unterbeschäftigung ausgelegt und ins Positive umgedeutet. Trotzdem steckt der Tabellenführer der Bundesliga spielerisch immer noch in der Krise.

Erst nach 75 Minuten machten die Bayern klar, dass Schalke den Einzug ins Viertelfinale noch viel weniger verdient gehabt hätte als sie selbst. Hargreaves schoss einen Freistoß ans Außennetz (82.), Elber rammte einen Kopfstoß knapp am Pfosten vorbei (83.). Und im verfrühten Jubelschrei der Zuschauer schwang wohl auch die Hoffnung mit, man möge sie vor einer Zugabe bewahren – vergebens.

Auch in der Verlängerung dominierten die Bayern, doch Lizarazu, Elber und Santa Cruz scheiterten an Torwart Rost oder ihren Nerven. Also setzte die viel beschworene DFB-Pokal-Dramaturgie an das Ende gähnender Langeweile ausgerechnet den Inbegriff knisternder Spannung, ein Elfmeterschießen. „Das ist ja immer so ’ne Juxgeschichte“, sagte Nico Kovac. Kovac verwandelte seinen Elfer zum 4:3 „Ich war schon ein bisschen aufgeregt“, sagte Santa Cruz. Er schoss den Siegtreffer zum 5:4. Auch Ballack, Jeremies und Hargreaves trafen.

Doch gleich der erste Schalker, Ebbe Sand, traf nur die Latte. Und lieferte so den Stoff für die bekannte Pokal-Rhetorik. Von „Messers Schneide“ wurde gefloskelt, von „Schicksal“ und „Dramatik pur“. Da war dann natürlich auch Johannes B. Kerner nicht weit. Im Sakko allerdings, nicht mehr im schicken Ledermantel. „Bayern gegen Schalke: Da ist Feuer drin“, hatte Kerner einfach so behauptet, vor dem Anpfiff, live im Fernsehen. Wenn der mal gewusst hätte. Vielleicht hätte das ZDF besser ein lustiges Testbild gesendet.